Eine „ganz normale“ Frau schaut hin
Sie war eine ganz normale junge Frau, die Fabrikantentochter aus dem Hause Fey. Die Tatsache, dass sie zur „besseren Gesellschaft“ zählte, in die sie am 11. April 1815 hineingeboren wurde, hat sie nicht gestört. Sie ist in dieser Welt, mit eigenem Herrenhaus in der Bendelstraße nahe des Aachener Doms und auch der Pfarrgemeinde St. Paul, einfach groß geworden.
So ist sie sicherlich öfters in jugendlichen Jahren auch mal mit Freundinnen an einem Sonntagnachmittag durch die Straßen Aachens geschlendert nach dem Motto: Mal schauen, wen man so kennt, ein bisschen sehen und gesehen werden. Bestimmt wird sie dann auch zu einem Gebet in den Dom gegangen sein und dort auch zum Gnadenbild der Gottesmutter.
Clara schaute aus der Perspektive einer bessergestellten Persönlichkeit auf das Leben in ihrer Stadt Aachen. Die Mutter Claras lehrte ihre Tochter schon in jungen Jahren hinzuschauen, was um sie herum passierte. Besonders in den Blick genommen haben die Feys die gesellschaftlichen Veränderungen in Aachen aufgrund der Industrialisierung im beginnenden 19. Jahrhundert.
An der Hand ihrer sozial sehr engagierten Mutter sah Clara nicht nur die Welt der Reichen, sondern auch die Armenhäuser und Armenviertel ihrer Stadt, und so wurde ihr auch das Elend ihrer Zeitgenossen vor Augen geführt. Die Kindheit Claras war also auch eine „Sehschule“, eine Schulung des Hinschauens, um die Realitäten um sie herum ernstzunehmen. Die behütet aufgewachsene Clara lernte früh – aus der Distanz – das Unbehütete, das Hoffnungslose, das Schicksalsergebene vieler Menschen kennen.
Konkret entdeckte sie dieses „Unbehütet- Sein“ in den Augen armer Kinder ihrer Zeit. Augen, die einfach nur danach schrien, behütet sein zu dürfen, also einfach Kind sein zu können und nicht „Maschinenfutter“ einer aufstrebenden Industriegesellschaft. Zu lernen, die ganze Realität der Gesellschaft einer Stadt immer wieder in den Blick zu nehmen, hinterließ in Clara eine Unruhe, die sie ihr ganzes Leben lang begleiten sollte und die sie antrieb zu handeln. Der eigene Besitz war für Clara keine Belastung, vielleicht nahm sie ihr „Haben“ bewusst als ein Geschenk Gottes an. Doch Besitz bedeutete für Clara auch Verantwortung; das hatte sie von Mutter und Vater gelernt!
So motivierten zwei „Weisen hinzusehen“ das Handeln Claras: zum einen die „nackte Realität“ immer wieder neu in den Blick zu nehmen und zum anderen notlindernde Veränderungen herbeizuführen.
Diese beiden „Weisen hinzusehen“ provozieren (auch heute) zum Handeln. Doch Claras Motivation, Hand anzulegen, fußt nicht einzig in der Wahrnehmung von sozialer Unausgewogenheit aus der Sicht einer Bessergestellten. Ihr Handeln wird geleitet von ihrem christlichen Glauben, der sie in der katholischen Kirche Aachens zu Hause sein ließ.
Sie erlebte in ihrer Familie eine authentisch gelebte und gefeierte Glaubens-tradition, die die Grundlage ihrer persönlichen Gottesbeziehung wurde.
Sie entdeckte in den „flehenden Augen“ der benachteiligten Kinder ihrer Zeit die Augen des armen Kindes Jesus, das in einer „Futterkrippe“ zur Welt gekommen war.
Am 8. Mai 1894 starb Clara, doch nicht die Art, so hinzuschauen. Sie lebt weiter in den Ordensfrauen der von Clara Fey gegründeten Gemeinschaft der „Schwestern vom armen Kinde Jesus“, die auch heute noch zum Stadtbild Aachens gehören, die aber auch unterwegs sind in Städten wie Bogota in Kolumbien, Makinsk in Kasachstan oder auf der Insel Flores in Indonesien.
Eine Idee „lernt laufen“ und verändert alles
Clara ist „Kind“ in der Zeit der Industrialisierung in Europa. Später wird man diese Zeit das Zeitalter der „Industriellen Revolution“ nennen. Aber im Nachhinein wird man auch analysieren, dass in dieser Zeit die Kinderarbeit zu katastrophalen sozialen Folgen führte. Konkret in Aachen „zählte man 1805 zum Beispiel in der Fabrik der Familie Jecker von den 250 Arbeitskräften 225 Kinder zwischen vier und zwölf Jahren.“ (Hermans, Jo. Im Dienst des armen Kindes, S. 15) Solche Kinder arbeiteten oft über 12 Stunden pro Tag für einen Hungerlohn. Im Hause Fey war besonders die Kinderarmut regelmäßig Thema.
Die Geschwister Claras, wache Priester der Stadt, Freundinnen von Clara und andere sozial engagierte Frauen trafen sich sonntäglich. Ihr Ziel: Perspektiven zu suchen, um der körperlichen und geistigen Verarmung und Verelendung vieler Menschen in ihrer Stadt etwas entgegenzusetzen.
In Claras Gedanken und Herz begann nun unaufhaltsam eine Idee „laufen zu lernen”, die ihr Leben radikal verändern sollte.
Clara und ihre ersten Begleiterinnen in diesem Prozess begannen ihre persönliche Zukunft mit dem Schicksal besonders der in Armut lebenden Kinder und Jugendlichen in Verbindung zu bringen. Sie wollten mit diesen Kindern nicht mehr nur im Vorübergehen zu tun haben, sondern sich biografisch an jedes dieser Kinder binden.
Dieser Wunsch, aus christlicher Überzeugung gereift, ist der Kern dessen, was später Claras Apostolat genannt werden wird und das derer, die sich in der von ihr gegründeten Gemeinschaft der „Schwestern vom armen Kinde Jesus“ organisierten und organisieren.
Die Faszination, die von der Entwicklung einer Persönlichkeit wie der von Clara ausgehen kann, liegt nicht nur in deren historischer Betrachtung. Faszination für solche Menschen liegt auch darin, dass unsere Gesellschaft solche Entschiedenheit (unabhängig davon, in welche Lebensform eingebettet) braucht, um in ihrem Kern „des Aufeinander-Achtens“ zu überleben. Das spüren Menschen auch heute!
Faszination üben Menschen aus, die versuchen, unsere Gesellschaft davon abzuhalten, in ihren tiefsten Abgrund zu stürzen: den der Vergessenheit des Anderen. Gesellschaft kann konstitutiv nur existieren, wenn sie wertschätzend und wertschöpfend auch die Schwachen in den Blick nimmt, und das sind auch heute noch im Besonderen die Kinder.
Auf diesem Weg, den Clara nun eingeschlagen hat, spielte eine ihrer Lehrerinnen eine zentrale Rolle. Die Dichterin Luise Hensel. Von 1827 bis 1833 unterrichtete sie am St. Leonhard-Stift in Aachen, dem heutigen St.-Leonhard Gymnasium. Aus ihrer Feder stammt das Gedicht
„Müde bin ich, geh‘ zur Ruh‘,
schließe beide Äuglein zu.
Vater, lass die Augen dein
über meinem Bette sein!“
( 1. Strophe )
Welche besonderen Ziele verfolgte sie in ihrem Unterricht? Luise Hensel vermittelte, gestützt auf ihren Glauben – auch in der Unterrichtung von Kunst und Literatur – die Grundlagen einer eigenverantworteten Bildung. Sie führte so im damaligen Schulsystem fort, was in Claras Elternhaus schon grundgelegt wurde: Bildung ist auch Eigenverantwortung, der aber die Chance gegeben werden muss, sich bilden lassen zu können.
Weil sie anders tickte, veränderte sie
Was aus gelebtem katholischen Glauben, realistischer Wahrnehmung und sozialer Verantwortung langsam entstand, hatte sichtbare und einschneidende Konsequenzen im Leben dieser jungen Frau.
Das anfänglich noch wenig durchstrukturierte Engagement für die vernachlässigten Kinder, getragen vom Kreis der Vertrauten, konnte nur der Anfang einer „Zu-Wendung“ sein. Nun musste Clara den nächsten Schritt tun, und den spürte sie sicher von Gott gesetzt.
Es ist Freitag, der 2. Februar 1844: Clara Fey und mit ihr die Freundinnen Leocadia Startz, Wilhelmine Istas sowie Louise Vossen schließen sich zu einer Gemeinschaft zusammen und geben sich so eine Struktur: die ersten Statuten.
Am Samstag, dem 31. Mai 1845, wurden diese Statuten beim Kölner Erzbischof eingereicht. Montag, 8. Dezember.: Clara fährt unter anderen mit Bruder Andreas nach Berlin, um Königin Augusta das Gesuch zu überreichen, ihre Gemeinschaft staatlich anzuerkennen.
Am 28. Januar 1848 bestätigte der Erzbischof von Köln ihren Zusammenschluss auf Probe, und am 14. September bezog die Gemeinschaft in der Jakobstraße im Zentrum Aachens ihr neues „Heim“, das „Mutterhaus“. Am 18. Oktober 1848 erfolgte die Einkleidung der ersten Schwestern, das Anlegen des Ordensgewandes (Habit) also, äußeres Zeichen der inneren Zugehörigkeit zu dieser neu entstandenen Gemeinschaft. Diese innere Zugehörigkeit sollte eine Lebensentscheidung sein, die in der Profess (lat. professio – Bekenntnis) zum Ausdruck gebracht wird.
Von nun an beginnt der Habit dieser Schwestern vom armen Kinde Jesus, der damaligen „Klostermode“ entsprechend sehr „zugeknöpft“, das Bild der Stadt Aachen sowie das der bis 1897 noch eigenständigen Stadt Burtscheid zu bereichern. Nach der Fertigstellung der Klosteranlage in Burtscheid 1866 schauten ab und zu, und wenn, dann eher verhalten, zwei junge Ordensfrauen auf dem Burtscheider Markt vorbei. Ihre Namen: Schwester Mechtildis und Schwester Gertrud.
Die Aufmerksamkeit dieser Schwestern, ihre Haltung und ihre Herzlichkeit standen ein für die Spürbarkeit des Anliegens von Clara Fey, besonders dem armen Kind eine ihm würdige Beheimatung zu geben.
Angesichts dieser unerwarteten Entwicklung der Gemeinschaft verhallten nun auch so manch belächelnde Kommentare damaliger Würdenträger aus Stadt und Kirche, die sinngemäß so klangen: … dass Claras kindliches Engagement für diese schmuddeligen Kinder schnell würde wie eine Seifenblase zerplatzen.
Dem setzte Clara ihre Überzeugung entgegen: „Wenn nur ein einziges Kind vor dem Untergang gerettet werden kann, ist es mit einem Leben voller Anstrengungen nicht zu teuer bezahlt.“ (Handschrift vom 7. 12. 1849)
Diese Botschaft war damals ein verhaltener Knaller mit Folgen in den der Kinderarbeit verbundenen deutschen Landen. Clara Fey tickte eben anders!
In der Herausforderung entfaltete Clara ihr Profil
Die soziale Not weiter klar im Blick, war im Mai 1869 der entscheidende Schritt getan: die Anerkennung der Gemeinschaft der „Schwestern vom
armen Kinde Jesus“ als Ordensgemeinschaft päpstlichen Rechts. Vom Glauben getragen, banden sich die Schwestern – wie auch heute noch – durch die öffentlichen Gelübde der Keuschheit, der Armut und des
Gehorsams. Sie verzichteten freiwillig auf Ehe und Familie, auf materiellen Besitz und auf freie Selbstverfügung.
Das kam an, weckte Interesse. Der Grund dafür war einerseits, der
beißenden sozialen Not, besonders spürbar in den Städten mit fortschreitender Industrialisierung, etwas entgegenzusetzen. Andererseits war die Klarheit dieses Lebensmodells attraktiv und überzeugte durch
konkretes, sinnstiftendes Handeln. Diese Kombination bewegte zahlreiche junge Frauen und begann Lebenswege zu prägen. Bis zum Ausbruch des
Kulturkampfes im Jahre 1872 begeisterten sich mehr als 600 Frauen für diese Gemeinschaft und ein Leben im Kloster.
Es entstanden 26 verschieden große Niederlassungen im deutschsprachigen Raum, 23 davon in Preußen. Das konkrete Handeln der Ordensschwestern entfaltete sich primär in Kinder- und Jugendheimen, damals noch Waisenhäuser genannt.
Der Kulturkampf in Preußen eskalierte von 1871 bis 1878 unter Reichskanzler Otto von Bismarck besonders in Bezug auf das Verhältnis zwischen Kirche und Staat. Es ging generell um die Frage nach den gesellschaftsgestaltenden Kräften, deren Präsenz, Einflussnahme und Machtausübung. Im Juni 1872 mussten nach Ministerialerlass alle Ordensleute die öffentlichen Schulen verlassen, und wenig später wurden ihre Klöster verboten.
Entsprechend wurden in Preußen 22 Klöster aufgelöst, aber zwölf Häuser (zwischen 1874 und 1878) im Ausland neu gegründet. Das Mutterhaus wurde von der Jakobstraße in Aachen nach Simpelveld, grenznah in die Niederlande verlegt. Nur das Kloster der Schwestern in Burtscheid blieb offen. Mit Sondergenehmigung durften hier die kranken Schwestern
gepflegt werden.
Es ist schon einschneidend, wenn eine mit viel Engagement gerade
gegründete Ordensgemeinschaft von den offiziellen Vertretern der eigenen
Gesellschaft, ihren Politikern, verboten wurde. Die Schwestern wollten
Menschen helfen, wurden jedoch gezwungen, das Heimatland zu
verlassen. Aber Clara, die von ihren Mitschwestern Mutter genannt wurde, gab nicht auf. Sie wuchs an dieser scheinbaren Niederlage, mehr noch, diese
Vertreibung stärkte sie in ihrem Gottvertrauen, aber stellte sie in stillen Stunden auch vor die Frage, wie Gott sie wohl in die Zukunft hinein tragen würde.
Zeitzeugen bestätigten Clara eine starke Ausstrahlung, manchmal auch eine starke Anziehungskraft. Sie war schön, einfach und ungezwungen und neben ihrer Arbeit vielseitig interessiert, so an Kunst und allem, was innerlich oder äußerlich harmonieorientiert war.
Ihre Personalführung in der Gemeinschaft war geprägt von einer intensiven Zuwendungsbereitschaft und gleichzeitig von Diskretion, von Feinfühligkeit und der Eindeutigkeit ihrer Worte. Konnte man ihr auch zu Recht nachsagen, sie sei zu sanft, zu anpassungsfähig, so ließ sie dennoch nicht nur andere denken, sondern sie dachte selbst. Clara entwickelte sich – auch unter Mühen – zu einer „legendären“ Ordensgründerin ihrer Zeit, nicht auch zuletzt dadurch, dass sie eigene Fehler in den Blick nahm und an und mit ihnen lernte.
Das Kind, nichts als das Kind
Clara Fey war selbst noch ein Kind, als sie fast täglich mit dieser anderen Realität in ihrer Heimatstadt Aachen konfrontiert wurde; diese ihr noch fremde Realität, arm, heimatlos und schmutzig zu sein.
Wenige Schritte von ihrem schönen Zuhause entfernt vegetierten gleichaltrige Kinder im Dreck der Straße vor sich hin. Diese „Schmuddelkinder“ nutzten den Wohlhabenden der damaligen Gesellschaft nur als „Brennholz“ ihrer aufstrebenden Industrie, der Lizenz, Geld zu drucken. Noch heute zeugen in vielen großen Städten „Baudenkmäler“ von dieser damaligen industriellen Entwicklung.
In den Gründungsjahren der Ordensgemeinschaft versuchte Clara die schutzlosen und verwahrlosten Kinder, die teilweise sogar obdachlos waren, noch in Pflegefamilien unterzubringen. Dieses Bemühen allerdings stieß schon früh an Grenzen. Es kristallisierte sich immer mehr die nachhaltigere Beheimatung der Kinder in „Erziehungsanstalten“ heraus, wie man früher einen solchen „Familienersatz“ nannte. In so bezeichneten „Anstalten“ war die leibliche Versorgung der Kinder gewährleistet. Darüber hinaus konnte so auch für ihr geistiges Wohl gesorgt werden, und damit verbunden hatte die Bildung der Kinder hier einen neuen Gestaltungsraum. So wurde ihnen die Chance gegeben, diesen Ort, an dem sie „nur“ als Kind vorkommen durften, ihr Zuhause nennen zu können.
Claras pädagogisches Konzept: Kinder als das höchste Gut einer Gesellschaft zu betrachten, Kindern das Recht zuzusprechen, sich entfalten zu können, Kindern ihr KindSein nicht zu nehmen. Claras eigene Rede:
„… Gute Aufsicht halten ist notwendig, doch muss es eine solche sein, die die Kinder nicht beengt und bedrängt, sondern man muss gerne sehen, dass die Kinder spielen, ja auch mal lärmen…“ (Konferenz, 3. Sept. 1882)
Durch diese Sichtweise auf das Kind, die vom Bedürfnis des Kindes her Ausschau hält nach dem, was es braucht, eröffnete sich eine ganz neue
Perspektive. Clara entdeckte in diesen „Straßenkindern“ nicht „nur“ die Unverwechselbarkeit und Einmaligkeit eines jeden einzelnen Kindes; mehr noch, Clara entdeckte in ihnen das Christuskind, das Kind von
Betlehem, den Sohn Gottes. Der Anblick des Kindes wurde für Clara zur Gottesschau, Gott zeigt in diesen Kindern sein Gesicht.
So hinzuschauen war damals und wäre auch heute keine naive Romantik, sondern Wertschätzung dem großen göttlichen Geschenk gegenüber: dem Kind!
Den Kindern gerecht zu werden, ihnen faire Chancen zu geben und sie
gewaltfrei zu erziehen, war für Clara der Weg, diesem Christus nahe zu sein. In der biblischen Sprache des 1. Johannesbriefes klingt dieses „Jesus nahe sein“ so: „Die Liebe lässt erkennen, dass wir in ihm bleiben und er in uns.“ Das „Bleibt in mir“ (lateinisch „manete in me“) wurde zum „Wahlspruch“ der Ordensgemeinschaft, die spezifische Eigenschaft bis heute und nicht nur in deren pädagogischer Arbeit.
Frauen und Ökonomie
Clara Fey ist längst eine Persönlichkeit, bekannt über Aachen hinaus. Aber eine Herausforderung kam und kommt bis heute immer neu auf die
Gemeinschaft zu: Wie wirtschaftlich überleben? Dass gerade die Ärmsten der Armen materiell nichts hatten, war ja auch ein Grund, warum Clara sich ihrer annahm. Mit Gründung der Gemeinschaft war die Ökonomie Dauerthema. Dankbar wurden Spenden aus der Bevölkerung angenommen. Aber es waren ja nicht nur die Kinder, die versorgt werden mussten, auch neue Unterkünfte, sprich „Neubauten“ wollten finanziert werden. Nicht zuletzt mussten bei aller Bescheidenheit die Schwestern selbst ja auch von irgendetwas leben, denn von verschenkter Menschlichkeit wird man nicht wirklich satt.
„Hätten nicht einige Schwestern einen Job annehmen können, um Geld zu verdienen“, könnte man fragen. Nein, denn welchen Beruf sie auch immer angenommen hätten, er war nicht vereinbar mit der bedingungslosen Sorge für die Kinder. Ebenso war ein Beruf nicht kompatibel mit dem klösterlichen Leben bzw. den regelmäßigen Gebetszeiten, die wesentlich zum Gelingen klösterlicher Gemeinschaft dazugehören. Aber schon in den Jahren
der Gründung bahnte sich ein später recht lukrativer Wirtschaftszweig an, und der hatte etwas mit dem Gottesdienst zu tun.
Nicht nur zu einem „normalen“ christlichen Leben gehört die Feier von Gottesdiensten zum Alltag, also die Feier der Kommunikation mit Gott.
Besonders für die Lebendigkeit einer Ordensgemeinschaft ist Gebet und Gottesdienst konstitutiv! Ohne Kommunikation mit Gott geht letztendlich gar nichts. Schöpfen doch die Schwestern aus ihr – damals wie heute – die Kraft für ihr „weltliches“ Engagement. Für die Eucharistiefeier, für jede Form des Gottesdienstes bedarf es liturgischer Gewänder und Geräte, sogenannter „Paramente“ und „Kultgeräte“.
Anfänglich liehen sich die Schwestern die dazu erforderlichen Dinge in Aachener Gemeinden aus. Allerdings wuchs das Bestreben, auch aus ästhetischen Gründen, Gewänder und andere in der Liturgie verwendete Textilien selber künstlerisch zu gestalten. Im Oktober 1848 fertigten die Schwestern hier in Aachen ihr erstes Messgewand. Das hatte Folgen! 1855 entstanden die ersten Werkstattniederlassungen über Aachen hinaus in Köln und Landstuhl, und weiter ging es dann unter anderem auch in Luxemburg, Österreich und England.
Anlässlich der Übertragung der sterblichen Überreste von Clara Fey am 23. August 1934 aus dem Erdgrab in die Klosterkirche in Simpelveld (NL) entstand das Gewand „Christus König“. Von Frauenhand „meisterlich“ verarbeitete Fäden faszinieren, nicht nur unter der Lupe betrachtet. Bis 1865 entstanden allein in Aachen 400 Messgewänder und 130 vollständige Ornate.
Aus dieser ursprünglich kläglichen Bedarfsdeckung finanzieller Notwendigkeit entwickelten sich die Paramentenwerkstätten, so heißen die Ateliers, in denen primär liturgische Gewänder gefertigt werden, und der Kundenstamm wuchs weit über die Landesgrenzen hinaus.
Diese harte Arbeit der Schwestern, die sicherlich nicht augenfreundlich war, wurde zum ökonomischen Faktor neben unter anderem dem Gartenanbau und der Erstellung von „Jesuskindern“ und anderen Krippenfiguren aus Wachs.
Das Motto bleibt Motivation: Manete in me!
Letzte Daten: Am 8. Mai 1894 starb Mutter Clara in Simpelveld (NL). Lebensdauer 79 Jahre. Davon verbrachte sie 50 Jahre in der von ihr gegründeten Kongregation, und von diesen war sie 44 Jahre Generaloberin.
Mit dem 1872 beginnenden Kulturkampf beugte sich Clara 1878 ihrer Zwangsausweisung und ging endgültig vom Mutterhaus in der Jakobstraße weg über die Grenze nach Simpelveld. Hier agierte seit ihrer Ankunft die Zentrale der später auf mehreren Kontinenten präsenten Gemeinschaft.
In der dortigen Klosterkirche ruhten auch bis in den Spätsommer 2012 ihre „sterblichen Überreste“. Am 1. September 2012, morgens 9 Uhr bildeten über den Domhof in den Aachener Dom hinein nicht nur Schwestern vom armen Kinde Jesus ein enges Spalier, um den sterblichen Überresten Claras die Ehre zu erweisen, die von Simpelveld weg nun in der Bischofsgruft im Aachener Dom eine provisorische Bleibe finden sollten.
Der Grund, warum „Mutter Clara“ nun wieder an den Ort der Gründung ihrer Kongregation zurückgekehrt ist, ist so einfach wie traurig.
Schon seit vielen Jahren ist der Leitung der Gemeinschaft klar, dass auf dem Hintergrund der Alterspyramide der Kommunitäten die Handlungsspielräume der Schwestern immer enger werden.
Anfänglich liehen sich die Schwestern die dazu erforderlichen Dinge in Aachener Gemeinden aus. Allerdings wuchs das Bestreben, auch aus ästhetischen Gründen, Gewänder und andere in der Liturgie verwendete Textilien selber künstlerisch zu gestalten. Im Oktober 1848 fertigten die Schwestern hier in Aachen ihr erstes Messgewand. Das hatte Folgen! 1855 entstanden die ersten Werkstadtniederlassungen über Aachen hinaus in Köln und Landstuhl, und weiter ging es dann u. a. auch in Luxemburg, Österreich und England.
Anlässlich der Übertragung der sterblichen Überreste von Clara Fey am 23. August 1934 aus dem Erdgrab in die Klosterkirche in Simpelveld (NL) entstand das Gewand „Christus König“. Von Frauenhand „meisterlich“ verarbeitete Fäden faszinieren, nicht nur unter der Lupe betrachtet. Bis 1865 entstanden allein in Aachen 400 Messgewänder und 130 vollständige Ornate.
Deshalb wurden schon in den letzten Jahrzehnten immer mehr Immobilien – und damit verbunden – Engagement aufgegeben. Auch musste Grund verkauft werden, wie die Neubauten im „Klostergarten“ von Aachen-Burtscheid parallel zur Friedrich-Ebert-Allee bezeugen, um unter anderem die Pflege der vielen älter werdenden Schwestern zu finanzieren.
Deshalb wurde auch entschieden, das Kloster in Simpelveld zu verkaufen.
Wer nun meint, diese Entwicklung bedeute mittelfristig „die Letzte macht das Licht aus“, irrt!
Anziehungskraft hat diese Gemeinschaft da, wo sie ihr Charisma, ihr charakteristisches Merkmal entfaltet und den Menschen besonders im Blick hat, der in die Perspektivlosigkeit verbannt ist. Dieser Gründungsidee Claras folgend, leben zum Beispiel in Indonesien 227 Schwestern und in Kolumbien sind es 58 (Stand vom 31. 12. 2012).
Ihr Einsatz findet in Schulen, Kinderheimen und beruflichen Ausbildungseinrichtungen statt.
Ihr Glaube und ihr Mut, aus dem Glauben heraus auch in gesellschaftlich kritischen Situationen zu handeln, verbinden die Schwestern untereinander, egal wo sie präsent sind.
Weltweit sind weit über 500 Schwestern unterwegs hauptsächlich an der Seite der Kinder. Unterschiedlich qualifiziert, oft mit pädagogischen und medizinischen Kompetenzen, aber auch mit Organisations-, Leitungs- und Finanzerfahrung organisieren mit Herz und Entschiedenheit die Schwestern vom armen Kinde Jesus aktuell Schulen, Kindergärten und soziale Einrichtung unter anderem in Kolumbien und Indonesien.
Um ihr Engagement herum sammeln sich Frauen und Männer, die der Spiritualität Clara Feys, ihrer tiefen Verbundenheit der Verehrung der heiligen Eucharistie und besonders der Sorge um das Kind folgen.
Diese Gruppen von engagierten Menschen, deren Anzahl zunimmt, organisieren sich allerdings nicht in einer klösterlichen Gemeinschaft, sondern verwirklichen ihr Laienapostolat (nicht in Ordenszugehörigkeit) in gemeinschaftlichen Strukturen, zu denen auch das gemeinsame Gebet wie regelmäßige Treffen gehören. Aber auch ihr Herzensanliegen, ihr Lebensmittelpunkt ist die Sorge um das Kind.
Und da schließt sich der Kreis. Denn genau damit hat damals, in der Zeit der Industrialisierung in Aachen, alles angefangen: Claras Sorge um die verwahrlosten Kinder. Aber was ist über die Zukunft der Schwestern vom armen Kinde Jesus zu sagen?
In jedem Fall, dass sie Zukunft haben werden, wenn weiter und neu ein Klima vorherrscht, in dem auch solche heute exotisch wirkenden klösterlichen Lebensformen und deren Variationen einen Platz haben, die sich gleichzeitig aber auch dahin verändern können, den Lebensbedürfnissen und der Spiritualitätssuche der Menschen entgegenzukommen.
Zukunft werden sie haben, wenn eine Gesprächskultur den Vorzug hat, die am Austausch interessiert ist: Wie und warum gehst du diesen Weg? Wie kannst du so leben, und was lässt dich zufrieden sein? In einem solchen gesellschaftlichen Klima könnten sich christliche Lebensformen weiter entwickeln, die sich nicht an den Lebensformen messen lassen müssen, die Mehrheiten bevorzugen.
Dann wären all jene, die sich von der Spiritualität Clara Feys ansprechen, ja auch begeistern lassen und Gottvertrauen mitbringen, ein Ausrufezeichen, nach dem Vorbild Mutter Claras auch in neuen noch zu findenden Lebensformen zu leben, frei nach dem Motto „Manete in me“.
Fotos: Daniel Karmann und Hartmut Savelsbergh
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